Die Geschichte der  Beberbecker

von Karl-Ludwig Lackner

 

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Die Sababurg, die in alten Zeiten Zapfenburg genannt wurde, gilt als die Wiege der Beberbecker. Sie wurde 1334 bis 1336 erbaut.
 
Unter der Herrschaft des Landgraf Wilhelm II  wird 1490 erstmals über das Vorhandensein des Zapfenburger Gestütes berichtet. Es handelte sich, ähnlich den Sennern, um ein halbwildes Gestüt. Landgraf Wilhelm IV ließ 1589 bis 1591 150 ha Wald, am Felsabhang der Sababurg gelegen mit einer  Mauer einfrieden, und wies den Mauerpark den Stuten als ständigen Aufenthaltsort zu.
1670 wurden an der Sababurg Stallungen errichtet, und damit der halbwilde Charakter des Gestütes aufgegeben.
Beberbeck, 1018 erstmalig als Kolonie erwähnt, war später landgräfliches, hessisches Hofgut, und bestand aus einem Kloster- und einem Ackerhof.
1724 verlegte Landgraf Carl die damals 60 Zuchtstuten in den Klosterhof nach Beberbeck, während die Aufzucht der Hengste an der Sababurg erfolgte.
Nach dem Deutschen Krieg 1866 wurden die Finanzzuweisungen  drastisch gestrichen, was sich gravierend auf den Ankauf geeigneter Hengste und den Umfang des Gestütsbetriebes auswirkte. In diese Phase fällt auch die Zuchtbenutzung qualitätvoller Hengste anderer Gestüte, wie zum Beispiel der Vollbluthengst Vortex xx des Sennergestütes Lopshorn, zu dem im Jahre 1869 neun Beberbecker Stuten  gebracht wurden.
 

Das Preußische Hauptgestüt Beberbeck 1876 bis 1929

1876 übernahm die Preußische Gestütsverwaltung das ehemals Kurhessische Hofgestüt Beberbeck, und baute es mit den vorhandenen 40 Zapfenburgern (später Alt-Beberbercker genannt), 68 Stuten des aufgelösten Friedrich-Wilhelm Gestütes, 16 Senner, 8 Trakehner- und 5 Graditzer Stuten zu einem Hauptgestüt aus. Dieser Zuchtstutenbestand gehörte ursprünglich 56 Familien an, reduzierte sich aber im Laufe der Jahre auf 12 Familien. Unter den Alt-Beberbecker Stuten befanden sich drei Isabellfarbene, und zwar Zulmee geb.1862, Zemire geb.1868, Zohee geb.1872. Die Isabellen dienten als Prunk- und Galapferde für den kurfürstlichen Marstall in Kassel, sie litten allerdings häufig an Augenentzündungen und erblindeten infolge dessen.1898 wurde die letzte Isabellstute, Zamora geb.1882 von Chamant xx an den Pfarrer Rabe in Gottsbüren verkauft.

Zuchtziel war eine Halbblutzucht für Reit- (Militär) und Rennzwecke mit einem Englisch Vollblutanteil von durchschnittlich 85% und mehr, und geringem arabischem Vollblutanteil. Die Widerristhöhe der Zuchtstuten betrug ca. 160 cm Stockmaß. Aufgabe dieses Hauptgestütes war es, über eine qualitätvolle Mutterstutenherde, Landbeschäler für die Landespferdezucht zur Verfügung zu stellen. Die überschüssigen Pferde wurden über Auktionen als Reit- und Rennpferde an das Militär und an Privatleute verkauft. In der Zeit seines Bestehens brachte Beberbeck 542 Land-, und 26 Hauptbeschäler hervor, darunter 6 Hauptbeschäler für Trakehnen wie z.B. Optimus. Die dem Tierpark für die Zucht der Beberbecker zur Verfügung stehende Stute Quinchetta ist eine Vertreterin der Stallmeister Linie, die in Beberbeck 21 Landbeschäler hervorgebracht hat und den Hauptbeschäler Jubelgreis stellte. 

Die Beberbecker Pferde in Racot 1929 bis 1942

Am 14. Mai 1929 beschloss der Berliner Landtag in dritter Lesung, Beberbeck im Laufe des Sommers aufzulösen. Der Grund für die Auflösung war der verminderte Bedarf an edlen Warmblutpferden, der von Trakehnen und der ostpreußischen Zucht gedeckt werden konnte, und nicht Reparationsleistungen im Zusammenhang mit dem 1.Weltkrieg, wie fälschlicherweise von Theodor Rocholl 1931 in seinem Beitrag "Beberbeck und Sababurg", von Friedrich Traut 1970 in "Gestüte als Bauaufgabe"und 2008 von Silke Renner in "Beberbeck zwischen Sababurg und Gesundbrunnen" geschrieben.

Mit der Auflösung des Hauptgestütes übernahm der polnische Staat für eine halbe Millionen Reichsmark  den gesamten Gestütspferdebestand. Am 8.10. und am 21.10.1929  wurden 160 Beberbecker,  Hengste, Stuten und Fohlen vom Bahnhof Hofgeismar mit dem Zug nach Polen abtransportiert. Die übrigen Pferde, vor allem Acker und Wagenpferde, darunter die Stute Panzermaid und Papagei, das Reitpferd des Landstallmeister Freiherr von Nagel, wurden auf der Auktion am 3. Dezember 1929 in Beberbeck versteigert. Der Durchschnittspreis der von Polen verworbenen Pferde betrug 3125 Reichsmark je Pferd, während auf der Auktion für die noch verbliebenen Stuten durchschnittlich 457 Reichsmark gezahlt wurde.

Nach einem kurzen Aufenthalt der Beberbecker in dem Vollblutarabergestüt Janow Podlaski, wurden sie 1932 in dem Gestüt Racot in der Nähe von Posen untergebracht. Das Zuchtprinzip wurde beibehalten, allerdings mit einem etwas höheren Vollblutanteil. Die erfolgreiche züchterische Arbeit von Beberbeck konnte hier fortgesetzt werden. In dieser nur kurzen Zeit bis 1939 brachte Racot 46 Hengste für die Landgestüte Draschendorf, Gnesen, Lack, Pr. Stargard, Zirke, Bialka, Boguslawice, Janow Podlaski und Marienwerder hervor.

Kurz vor dem bevorstehenden Überfall der Deutschen Wehrmacht  auf Polen, wurde das Gestüt am 29. August 1939 um 14 Uhr 30 evakuiert, und sollte in das 380 km weit entfernte Radom verlegt werden. Auf diesem Marsch griffen deutsche Tiefflieger am 6. September 1939 den Treck bei Nowe Miasto an. Der Gestütsdirektor Wladyslaw Sieminski und die Gestütsbeamten Wincenty Zielinski und Jan Borowiak kamen dabei ums Leben, und einige Pferde, so auch der noch in Beberbeck geborene Hengst Asenstein. Die überlebenden Pferde entliefen in der Umgebung. In dem von der Wehrmacht später angelegten Stutbuch werden 83 Pferde als verschollen vermerkt.

Das Oberkommando des Heeres ließ die versprengten Reste der Gestütspferde sammeln und nach Racot zurückführen.  Das Gestüt wurde militärisch besetzt, und die Leitung Rittmeister Clemens Freiherr von Nagel Vornholz am 14.11.1939 übertragen, dem Sohn des letzten Landstallmeisters von Beberbeck. Die Identifizierung der versprengten Gestütspferde  war mit Hilfe des Stutbuches und den darin eingezeichneten Gestüts- und Nummernbränden gewährleistet. 6 Hengste und 43 Stuten wies der Bestand 1941 wieder auf, die im Hengstregister für die zurückgegliederten Ostgebiete von 1941 aufgeführt sind. Während der Zeit der Besetzung wurde das bisher chronologisch geführte, gebundene Stutbuch zerlegt, die Stuten Panzermaid geb. 1923, und Synode geb.1925, die der polnische Staat 1929 nicht mit übernommen hatte, eingefügt, alle Seiten jetzt alphabetisch geordnet und wieder gebunden. Wie das Hengstregister des Generalgouvernements von 1944 ausweist, wird bei dem Hengst Panzerreiter, einem Sohn der Panzermaid,  als Züchter und Aufzüchter die Gutsverwaltung Vornholz angegeben. Die Stute Panzermaid wurde am 3.Dezember 1929 auf der letzten Beberbecker Auktion verkauft. In einem Schreiben erwähnt Freiherr von Nagel, daß er seine Stuten und einen Hengst nach Racot überstellt hat. Der Eigentümer der Stute Synode lässt  sich bisher noch nicht klären. 

Die Deutsche Wehrmacht richtete 1941 neben dem Gestüt für die Beberbeck-Racoter Pferde ein Heeresgestüt ein, das ebenfalls der Leitung von Clemens von Nagel unterstellt wurde, in dem 70 ostpreußische, 40 hannoversche, 28 Ardenner,  14 Stuten aus Hostau und  12 im Turniersport hochbewährte Stuten mit den dazugehörigen Hengsten zusammen gezogen wurden.

Die Pferde in Schönböken und Graditz 1942 bis 1945

Im Mai 1942 wurde das Heeresgestüt Racot, darunter auch hochbewährte Leistungsstuten, wie z.B. die polnische Olympiateilnehmerin Warszawianka von der Wehrmacht zusammen mit polnischen Gestütsmitarbeitern nach Schönböken in Holstein gebracht, unter Ihnen die zwanzigjährige Janina Przybilski, die spätere Ehefrau von Clemens von Nagel, und ihre 4 Brüder. Den Tagebuchaufzeichnungen von Gustav Rau vom 4.7.1942 ist zu entnehmen, daß die Preußische Gestütsverwaltung die Beberbeck-Razoter Pferde übernehmen und nach Graditz überführen will, da sie mit ihnen nach Kriegsende ein Hauptgestüt für den Warthegau und Danzig-Westpreußen einrichten will. 27 Beberbeck-Racoter Stuten und 10 Fohlen wurden am 16.9.1942 nach Graditz verlegt, und dort in die Warmblutherde des Gestütes an der Elbe eingereiht. Am 25. April 1945 stieß die Rote Armee bis an die Elbe vor, und transportierte die Pferde von Graditz nach Russland. Der eiserne Vorhang verhinderte jahrzehntelang die Kenntnis über den Verbleib dieser Pferde.

Die polnischen Pferde in Holstein, die die Wehrmacht im Krieg requiriert hatte, mussten nach Ende des Krieges an Polen zurückgegeben werden. Noch 1953 bezeichnet der Autor diese Pferde in einem Artikel, erschienen im St.Georg Almanach, unverständlicherweise als deutsches Heereseigentum. Die Rückführung von 1.719 Pferden begann am 1.August 1946 mit den Küstenschiffen Helgoland und Askania von Lübeck nach Gdyina. Der letzte Transport kam am 27.10.1946 an. Bis auf die Stute Afrika oder auch Afryka  genannt, von der sich Nachkommen noch bis 1972 im Gestüt Racot befanden, verliert sich die Spur der Pferde in Polen.

Die Suche nach den Beberbeck-Racoter Pferden

Die in Lippe nach dem Krieg ausgestorbene Stallmeister Linie war 1929 mit den Beberbeckern nach Polen gekommen, aber meine jahrzehntelangen Nachforschungen in Polen über den Verbleib dieser Linie blieben erfolglos. Erst nach der Öffnung des Eisernen Vorhanges war es möglich in Russland zu forschen, und umso größer war mein Erstaunen, als ich 2008 über den Pferdeexperten in den neuen Bundesländern, Karl Wilhelm, in Erfahrung bringen konnte, daß sich in dem russischen Trakehner Gestüt Kirow auch drei Nachkommen Beberbeck-Razoter Stuten befanden.

Eine dieser Stuten war Ulga, eine Vertreterin der Lopshorner Stallmeister Linie, deren Vorfahrin Undine 1876 in Beberbeck die Familie Nr.10 begründete. Diese Stute war 1945 von der russischen Armee aus Graditz mitgenommen, und in die Herde des russischen Gestütes Kirow unter dem Namen Kama ex Ulga eingereiht worden. Sie hatte dort eine erfolgreiche und weit verzweigte  Familie hinterlassen. Die russische Gestütsverwaltung hatte zwar seinerzeit die Gestüts- und Nummernbrände der Pferde im Stutbuch vermerkt, sich aber damals nicht um eine Klärung der Abstammung bemüht. Erst mit dem Ende der Sowjetunion und der sich nun eröffnenden Möglichkeit, Pferde in den Westen zu verkaufen, entstand ein Interesse an ihrer Abstammung. Von Kirow gelangte Zuchtmaterial dieser Linie nach Litauen. Im Frühjahr 2010  konnte ich für die Sennerzucht die Stute Pechota in Litauen erwerben, die aus der direkten mütterlichen Linie der Stute Undine abstammte, der Gründerstute in Beberbeck 1876 für die Familie 10. Inzwischen hat diese Stute den gekörten Hengst Rock It K und 3 weibliche Nachkommen, von denen  Quinchetta  dem Tierpark z.Zt. für das Beberbeck Projekt zur Verfügung steht.

Im Zuge meiner Nachforschungen in Kirow war ich dort auch auf zwei weitere Stuten gestoßen: Akrobatka, dort Igruschka ex Akrobatka genannt, und Antologia, dort Kameja ex Antologia genannt. Die erstere eine Vertreterin der Familie Nr.2 des Friedrich Wilhelm Gestütes, die andere eine Vertreterin der Alt-Beberbecker Familie Nr.15. Die Deutsche Wehrmacht hatte 1939 bei der Suche nach den versprengten Beberbeck-Razoter Pferden Akrobatka und auch Antologia nicht wieder finden können, und sie als "verschollen" vermerkt. Wie sie ihren Weg nach Kirow gefunden haben, wird sich vermutlich nicht mehr klären lassen.

 

Nachkommen der Alt-Beberbecker Familie gelangten über Russland nach Estland.

Die Wiederherstellung der Beberbecker Pferderasse

Auf Grund des Artikels im Jahrbuch 2011 des Landkreises Kassel "Beberbecker leben weiter in Russland", stellte die Erste Kreisbeigeordnete Frau Susanne Selbert an mich die Frage, ob die Möglichkeit besteht, die Rasse der Beberbecker wiederherzustellen. "Wenn es gelingt  an Stuten der noch vorhandenen Linien zu kommen wird es möglich sein die Rasse wieder herzustellen" war meine Antwort. Damit war der Startschuss für das Projekt Beberbecker gefallen, das unter dem Betriebsleiter des Tierpark Sababurg, Herrn Uwe Pietsch, durchgeführt wird.

Von den 1929 exstierenden 12 Beberbecker Familien sind nach meinem derzeitigem Kenntnisstand noch 5 Familien vorhanden:

Familie Nr. 2 mit der Stammstute Guendoleen xx, aus dem Fr.-W.-Gestüt, geb.1813
Familie Nr. 9 mit der Stammstute Demant, aus dem Trakehner Gestüt, geb.1776
Familie Nr.10 mit der Stammstute Stallmeister aus dem Sennergestüt Lopshorn geb.1728
Familie Nr.11 mit der Stammstute David aus dem Sennergestüt Lopshorn,geb.1725
Familie Nr 15 mit der Stammstute Camille aus der Gestüt Beberbeck, geb.1806

Das Projekt Beberbecker

Für das Projekt "Wiederherstellung der Rasse der Beberbecker"  hat der Zuchtverband für Senner Pferde e.V. das Zuchtprogramm entwickelt, das durch Bescheid vom 4. September 2019 durch den Direktor der Landwirtschaftskammer Nordrhein Westfalen als Landesbeauftragter genehmigt wurde. Als Beberbecker kommen nur Pferde in Frage, die in direkter mütterlicher Linie auf die Gründerstuten zurückgehen.

Im Juni 2018 erwarb der Tierpark die tragende Stute Gilla, eine Vertreterin der Familie Nr. 11. Im November kam aus Holland die in Kirow geborene Stute  Oliotta hinzu, eine Vertreterin der Familie 9. 

Am 7. Mai 2019 brachte Gilla im alten Stutenstall des Vorwerkes der Sababurg das erste Beberbecker Fohlen, die Stute Novi in Arce zur Welt. Für die Familie 10 wurde vom Tierpark die Stute Quinchetta angepachtet. Alle drei Stuten wurden in der laufenden Saison 2019 gedeckt; Gilla und Quinchetta von dem Vollblüter Ideal xx, und Oliotta von dem Vollblüter Duke of Hearts xx.

Zwei Stuten der aus dem Gestüt Kirow nach Estland gelangten Familie der Alt-Beberbecker konnte ich in Estland ausfindig machen. Nach Besichtigung der Stuten im Sommer 2019 und Verhandlung mit dem Besitzer, kamen sie am 11. September im Tierpark Sababurg an.

Die Stute Elisee wird vom Tierpark für seine züchterische Arbeit eingesetzt, und Erbana durch die "Zucht- und Besitzergemeinschaft Beberbecker".

Der Fachbeirat Tiergenetische Ressourcen hat auf seiner Sitzung am 11./12.05.2022 die Aufnahme der Pferderasse Beberbecker auf die Liste einheimischer Nutztierrassen beschlossen.

 Jetzt fehlt als letztes noch eine Vertreterin der Familie Nr.2, die ich in der Ukraine ausfindig gemacht habe.

 

Bestandsentwicklung der Beberbecker:

Pferdebestand
2023 2022 2021 2020 2019 2018
Gesamtzahl der Beberbecker 10 10 9 7 6 2
Stuten im zuchtfähigen Alter 4 5 4 5 5 2
Stuten zuchtfähig, noch nicht gedeckt 0 0 0 0 0 0
Gedeckte Stuten 4 3 5 5 3 1
Lebende Fohlen 1 1 2 1 1 0
Beberbecker Deckhengste 1 0 0 0 0 0
Hengste die am Zuchtprogramm teilnehmen 10 9 8 5 3 1

 

Copyright Lackner. Veröffentlichung nur mit Genehmigung des Verfassers.     Stand 10.11.2023